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Das ist die ganze
Kunst, wie sie jetzt die ganze zivilisierte Welt erfüllt! Ihr wirkliches
Wesen ist die Industrie, ihr moralischer Zweck der Gelderwerb,
ihr ästhetisches
Vorgeben die Unterhaltung der Gelangweilten.2 |
Es ist schon alles gesagt.
Auch der Satz, dass schon alles gesagt ist, ist schon oft gesagt
worden, ebenso wie der Satz, dass schon gesagt sei, dass alles schon gesagt
sei, und so fort. Dem gibt es nichts hinzuzufügen, zumal über Richard
Wagner, über den längst alles gesagt, aus dessen Worten und Noten
längst alles gemacht worden ist. Kaum ein Komponist und Autor hat
so viel Heterogenes selbst hervorgebracht, kaum einer hat eine solche
Wirkungsgeschichte geschrieben.
Ohne eine pointierte These über den Zustand des gegenwärtigen
Musiktheaters liefern zu wollen, gilt es an dieser Stelle, Einiges
des bereits Gesagten in einen neuen Zusammenhang zu stellen, um
Perspektiven für eine authentische Aufführungspraxis von Richard
Wagners "Werken" zu
eröffnen. |
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Den wiederkehrenden und heutzutage
leidenschaftlich diskutierten Topos vom "Tod der Oper" hätte
Richard Wagner in seiner Zeit nicht pathetischer diagnostizieren können,
hatte er doch viele Einwände gegen Oper und Opernbetrieb seiner
Zeit, die heute nicht minder virulent sind: Der Betrieb, innerhalb dessen
Musiktheater heute in Bayreuth oder an anderen Festspielorten, in Staats-
und Stadttheatern stattfindet, erschöpft sich darin, den kleinen Kanon
aufgeführter Opern im Sinne einer falsch - oder nicht? - verstandenen "Werktreue" aus
vergangenen Zeiten heraus zu erklären oder in Neu-Inszenierungen mit "moderner" Ausstattung
und unerhörten Konzeptionen zu überfrachten, die als des Kaisers
neue Kleider anmuten. |
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Der Irrtum, welcher der
Entwicklung dieser musikalischen Kunstform zu Grunde liegt, konnte
uns erst einleuchten,
als die edelsten Genies mit Aufwand ihrer ganzen künstlerischen Lebenskraft
alle Gänge seines Labyrinths durchforscht, nirgend aber den Ausweg, überall
nur den Rückweg zum Ausgangspunkte des Irrtumes fanden, - bis dieses
Labyrinth endlich zum bergenden Narrenhause für allen Wahnsinn der
Welt wurde. 3 |
Das Publikum lässt sich
davon nicht abschrecken und frönt dem Theaterbesuch mit ungeteilter
Lust am gesellschaftlichen Anlass der Repräsentation. Kulinarische
Zerstreuung und anstrengungslose Unterhaltung stehen im Vordergrund,
verdrängen die ästhetische Erfahrung als kommunikativem Prozess
zwischen dem Kunstwerk, seiner Darstellung auf der Bühne
und dem Rezipienten. Auf diese Weise deformiert die Kunst des Musiktheaters
zum Produkt einer Gesellschaft, in der sich die industriellen Unternehmungen 4 Theater "vorbehaltlos
den Wünschen und Neigungen eines ästhetisch pauperisierten
Publikums anzupassen sucht (...) und dadurch jeglichen Kunstanspruch
verspielt." 5
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Wo keine Not ist, ist
kein wahres Bedürfnis; wo kein wahres Bedürfnis, keine notwendige Tätigkeit;
wo keine notwendige Tätigkeit ist, da ist aber Willkür. (...)
Denn nur durch Zurückdrängung, durch Versagung und Verwehrung
der Befriedigung des wahren Bedürfnisses kann das eingebildete,
unwahre Bedürfnis sich zu befriedigen suchen. Die Befriedigung
des eingebildeten Bedürfnisses ist aber der Luxus. (...) Und dieser
Teufel, dies wahnsinnige Bedürfnis ohne Bedürfnis, - dies Bedürfnis
des Luxus, welches der Luxus selbst ist, - regiert die Welt. 6
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Die Bayreuther Festspiele,
einst als Alternativmodell mit seinen eigenen Produktions- und Darstellungsbedingungen
konzipiert, haben im Zuge ihrer Entwicklung und Konsolidierung
eine Festivalstruktur und ein Rezeptionsverhalten herausgebildet
und schließlich zementiert mit der Folge, nicht mehr von anderen vergleichbaren
Festivals unterschieden werden zu können. Die Alternative,
die Werkstatt Bayreuth im ursprünglichen Sinne hieße doch
vielmehr, Modelle zur Hervorbringung und Rezeption immer wieder
neu zu definieren und zu erproben zwischen dem ständig veränderbaren
und weiter zu entwickelndem "Werk" und einem zur Auseinandersetzung
bereiten, diese gar einfordernden Publikum. |
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An eine Aufführung kann
ich erst nach der Revolution denken, erst die Revolution kann mir die
Künstler und Zuhörer zuführen. Die nächste Revolution
muss notwendig unserer ganzen Theaterwirtschaft des Ende bringen:
sie müssen und werden alle zusammenbrechen, dies ist unausbleiblich.
Aus den Trümmern rufe ich mir dann zusammen, was ich brauche:
ich werde, was ich bedarf, dann finden. Am Rheine schlage ich dann ein Theater
auf, und lade zu einem großen dramatischen Feste ein: nach einem Jahr
Vorbereitung führe ich dann, im Laufe von vier Tagen meine ganzes
Werk auf: mit ihm gebe ich dem Menschen der Revolution dann die
Bedeutung der Revolution, nach ihrem edelsten Sinne, zu erkennen. Dieses
Publikum wird mich verstehen: das jetzige kann es nicht.7
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Nicht umsonst hatte Richard
Wagner den Mythos in seiner Konzeption der Architektonik von
Musiktheater
als den Träger sinnlich konkreter Vermittlung von Ideen gewählt.
Der Mythos8 verhandelt archetypische
anthropologische Fragen, die an keinem Ort der Welt zu keiner Zeit endgültig
beantwortet werden können, da der Mythos um eine Leerstelle
kreist. Diese Leerstelle steht für Aporien, für die der Mythos
Organisationsformeln anbietet, deren Aufgabe es ist, die "numinose
Unbestimmtheit in die nominale Bestimmtheit zu überführen
und das Unheimliche vertraut und aussprechbar zu machen." 9
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Das Unvergleichliche des
Mythos ist, dass er jederzeit wahr, und sein Inhalt, bei dichtester
Gedrängtheit, für alle Zeiten unerschöpflich ist.10
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Der Mythos ist durch die
Gesamtheit seiner Fassungen zu definieren, von denen jede und die ihr
zugrunde liegenden Umschreibung der Leerstelle gleichwertig ist, seine
Struktur ist die potentielle Unabschließbarkeit. Damit ist er für
Richard Wagner der Garant für die dauerhafte Aktualität eines "Werks" mit
der Forderung, die mythische Leerstelle mit den aktuell herrschenden Bedingungen
zu konfrontieren und immer wieder neu zu umschreiben. |
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Diese Eigenschaft des
Kunstwerks besteht aber darin, dass es sich nach Ort, Zeit und
Umständen auf das
Schärfste bestimmt sich kundgibt; dass es daher in seiner lebendigsten
Wirkungsfähigkeit gar nicht zur Entscheidung kommen kann, wenn
es nicht an einer bestimmten Zeit und unter bestimmten Umständen zur
Erscheinung kommt. 11
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Sogenannte "werktreue" Inszenierungen
dagegen als die Wiederholung des Immergleichen oder als das
Nachspüren einer einzigen ursprünglichen Bedeutung der
mythischen Leerstelle laufen Richard Wagners Anspruch an zeitgemäßes
Musiktheater zuwider. |
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Das absolute Kunstwerk,
das ist: Das Kunstwerk, das weder an Ort und Zeit gebunden ist,
noch von bestimmten
Menschen unter bestimmten Umständen
an wiederum bestimmte Menschen dargestellt und von diesen verstanden
werden soll, - ist ein vollständiges Unding, ein Schattenbild ästhetischer
Gedankenphantasie. 12
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Ursprünglich war er
von der Idee der Festspiele als einer zeitgenössischen Musiktheater-Werkstatt
und von der Möglichkeit ausgegangen, auch neue "Werke" anderer
Komponisten im Bayreuther Festspielhaus aufführen zu
lassen. Wäre dies heute nicht umso notwendiger, da die Musik Richard
Wagners naturgemäß nicht neu, sondern bestenfalls aktuell
sein kann? Dies erfordert allerdings einen Anspruch an die Aktualität
der Aufführungspraxis, die in den bahnbrechenden Anfängen
der Bayreuther Festspiele durchaus zu beobachten war; heute scheinen
dagegen erneuernde und wegweisende Perspektiven durch die musikalisch-szenische
Aufführungstradition geradezu verstellt. "Der Weg vom Züricher
Festspielplan bis zu dessen endgültiger Materialisierung
auf dem grünen Hügel in Bayreuth ist der Weg vom idealen zum pragmatischen
Festspielkonzept." 13 Dieses mag
der Wegstrecke entsprechen: vom ersten experimentellen zeitgenössischen
Musiktheaterfestival Richard Wagners zum Festspiel der Gralshüter
Cosima, Siegfried, Winnifred und Wolfgang. |
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Und so lasse ich dann drei
Aufführungen des ?Siegfried' in einer Woche stattfinden:
nach der dritten wird das Theater eingerissen und meine Partitur
verbrannt. 14
Sie [gem. sind die Originalaufnahmen, Anm. E.K., W.L.] müssten
zunächst, je nach Umständen, ein-, zwei- oder auch dreijährig
etwa wiederholt werden, und die ausschlaggebende
Veranlassung hierzu würde sein, wenn ein neues Originalwerk ähnlichen
Stiles, oder überhaupt der Auszeichnung solcher Aufführung
wert erscheinend, geschaffen worden wäre. Hiermit hinge
demnach eine Preisausschreibung für das beste musikalisch-dramatische
Werk zusammen, und der Preis würde in nichts anderem bestehen, als
in der Bestimmung zu der auszeichnenden Aufführung an Festtagen. 15 |
So ist beispielsweise
die Konzeption des verdeckten, unsichtbaren Orchestergrabens 16 - auf
die akustischen Verhältnisse des Bayreuther mystischen
Abgrunds war vor allem Parsifal zugeschnitten - durch die
Erfindung der Mikrophonie und des Lautsprecherklangs überholt
worden. Nicht zuletzt durch diese technischen Entwicklungen fand ein Paradigmenwechsel
vom Misch- zum Spaltklang statt, vom vermischten, versteckten/verdeckten
und verstellten Klang in Richtung offen gelegter Klangstrukturen, analytisch
geprägter und geprobter musikalischer Verdeutlichung eines
Sichtbaren wie direkt Hörbaren. Diesem müsste in einer zeitgemäßen
Aufführung von Richard Wagners "Werken" dringend Rechnung
getragen werden. |
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Zur Vollendung des Eindruckes
einer solchermaßen vorbereiteten Aufführung würde ich
dann noch besonders die Unsichtbarkeit des Orchesters, wie sie durch eine,
bei amphitheatralischer Anlage des Zuschauerraumes mögliche,
architektonische Täuschung zu bewerkstelligen wäre, von großem
Werte halten. (...) Hat man nun je erfahren, welchen verklärten, reinen,
von jeder Beimischung des, zur Hervorbringung des Tones den Instrumentisten
unerlässlichen, aussermusikalischen Geräusches
befreiten Klang ein Orchester bietet, welches man durch eine akustische
Schallwand hindurch hört (...). Nur aber in dem von mir gedachten Falle
eines eigens hierzu konstruierten provisorischen Theatergebäudes
würde diese Vorrichtung zu ermöglichen sein. 17
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Auch ist zu fragen, ob
es nicht gerade die sogenannten Festspielbedingungen, der Aufführungsrahmen
und der Raum des Festspielhauses sind, die die Suche nach der Aktualität
von Richard Wagners Musiktheater hemmen? Sie scheinen nicht nur den Blick
nicht zu öffnen, sondern eine Auseinandersetzung über
die zeitgemäße Interpretation, andere Raumbedingungen,
alternative künstlerische Rahmenbedingungen oder über die Konfrontation
der Musik Richard Wagners mit neuer Musik geradezu zu verhindern. |
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Öffnen ließe
sich der Blick zum Beispiel durch ein Projekt Rheingold oder das Schweigen
der Sirenen . In einer gänzlich neuen theaterunabhängigen
Raumsituation werden Musik, Text, Bild, Licht und Bewegung miteinander
und ineinander verschränkt, indem das Rheingold und
bearbeitete Ring -Fassungen mit neueren Texten und
zeitgenössischen Kompositionen
befragt, in Spannung gesetzt und zu einer neuen Musiktheater-Einheit
verschmolzen werden: |
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[Das] große Gesamtkunstwerk,
das alle Gattungen der Kunst zu umfassen hat, um jede einzelne dieser
Gattungen als Mittel gewissermaßen zu verbrauchen, zu vernichten
zugunsten der Erreichung des Gesamtzwecks aller, nämlich
der unbedingten, unmittelbaren Darstellung der vollendeten Natur. 18
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Ein Musik-Installations-Projekt in zwei Teilen, an zwei Orten in mehreren
Räumen
Projektreihe Der Imaginäre Raum 19
Rheingold und ...
Erster Teil, ORT I
Installation Rheingold
In einer Musik-Raum-Licht-Installation von "Rheingold" an einem "neuen
Ort" - Industriehalle, Ausstellungsraum, Messehalle, Konzerthaus,
Museum - beginnt das Projekt. Mit einer raumtheatralisch dimensionierten
Realisierung von "Das Schweigen der Sirenen" an einem anderen, auf den
räumlichen wie inhaltlichen Gesamtkontext bezogenen Ort wird
zweite Teil zu einem neuen Gesamtprojekt weiterentwickelt.
... Das Schweigen der Sirenen
Zweiter Teil, Ort II
Ein raum-szenisches Projekt in vier Aufzügen an mehreren Orten/Räumen |
1. Aufzug (ca.
30 Minuten)
Richard Wagner |
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Das Rheingold
Vorspiel und erste Szene: Rheintöchter (nah) und Alberich
(fern), 15'
Der akustische Urgedanke Richard Wagners ist die Erfindung
des Klanges vom Einzelton bis zur Ausformung der Obertonreihe zu einem lebendigen
Es-Dur-"Cluster": Die Geburt des Dreiklanges in 136 Takten stationärem
Es-Dur.
Nur wer der Minne Macht entsagt, nur wer der Liebe Lust verjagt,
nur er erzielt sich den Zauber, zum Reif zu zwingen das Gold. |
Morton Feldman |
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Voice & Instruments
I , 1972
Für drei Soprane (= Rheintöchter) und Instrumente,
15' |
2. Aufzug (ca.
45 Minuten)
Wolfgang Rihm |
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Klangbeschreibung II
(innere Grenze) , 1987
Textworte aus dem Gedicht "Der Wanderer und sein Schatten" von
Friedrich Nietzsche
Für vier Frauenstimmen (drei Soprane = drei Sirenen im Zentrum
und ein Mezzosopran, räumlich getrennt) und Instrumente, 35'
Drei
Klanggruppen, in den Raum gespannt. Der Hörer sitzt im Hirn
des Klangs (Zuckungen, Reflexe, ...). Vorn die Anschauung: ein
Text, der das Fassen des Gerade-noch-Erreichbaren befiehlt ...
Am Ende
von Klangverspannungen und Verläufen stehen (inverse Initialen,
aus der Zukunft als einer rückläufigen Vergangenheit zurücklesbare
Großschriftzeichen) die wenigen noch - oder schon erkennbaren Ton-Wort.
Vier Frauen, eine Art mehrkehlige Urmutter, klingen sie herauf. (Wolfgang
Rihm) |
Richard Wagner |
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Das Rheingold
Aus der vierten Szene: ERDA: Weiche Wotan, weiche!, 10'
Wie
alles war, - weiss ich; wie alles wird, wie alles sein wird, - seh' ich
auch: der ew'gen Welt Urwala, Erda, mahnt deinen Muth. Drei der Töchter,
urerschaff'ne, gebar mein Schoss. Was ich sehe, sagen dir die nächtlichen
Nornen. |
3. Aufzug (ca.
60 Minuten)
György Kurtág |
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Kafka-Fragmente ,
1985/86
Für Sopran und Solovioline, 1. Und 2. Teil, 30'
Von einem gewissen
Punkt gibt es keine Rückkehr mehr. Dieser Punkt
ist zu erreichen." (I, 16)
Zu spät. Die Süßigkeit der Trauer und der Liebe. Von
ihr angelächelt werden im Boot ... (IV, 1) |
Richard Wagner |
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Götterdämmerung
Vorspiel:
Nornenszene, 15'
Die drei Nornen: Zu locker das Seil, - mir langt es
nicht! Soll ich nach Norden neigen das Ende, straffer sei es gestreckt! - Es
riss! Es riss! Es riss! Zu end' ewiges Wissen! Der Welt melden Weise nichts
mehr. Hinab! Zur Mutter! Hinab! |
György Kurtág |
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Kafka-Fragmente ,
1985/86
Für Sopran und Solovioline, 3. und 4. Teil, 25'
Leoparden brechen
in den Tempel ein und saufen die Opferkrüge
leer; das wiederholt sich immer wieder; schließlich kann man es
vorausberechnen, und es wird Teil der Zeremonie (IV, 5) |
4. Aufzug (ca.
45 Minuten)
Richard Wagner |
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Das Rheingold
Geräusch-Musiken der Nibelungen, 18 Ambosse hinter der Szene, für
Tonband, 5'
9 kleinere rechts, links und im Hintergrund, 6 grössere rechts
und links hinten voneinander entfernt, ein ganz grosser im Hintergrund,
ein ganz grosser rechts, ein ganz grosser links. (Partiturangaben Das
Rheingold ) |
Hildegard von Bingen |
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Hymnen, Antiphonen und
Sequenzen, 12. Jahrhundert
Für drei Frauenstimmen, 12'
Responsorium: O vos, felices radices,
cum quibus opus miraculorum,
et non opus criminum,
per torrens iter perspicuae umbrae plantatum est.
Et o tu, ruminans ignea vox, praecurrens limantem lapidem, subvertentem
abyssum, gaudete in capite vestro.
Gaudete in illo, quem non viderunt in terris multi, qui ipsum ardenter
vocaverunt.
Gaudete in capite vestro. |
Richard Wagner |
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Das Rheingold
Finale in einer Fassung für drei Rheintöchter
(zwei Soprane, ein Mezzosopran), Loge (Tenor), sechs Harfen,
Pauke und Streichquintett, 5'
Loge: Ihrem Ende eilen sie zu, die so
stark im Bestehen sich wähnen.
Fast schäm' ich mich, mit ihnen zu schaffen ... .
Die drei Rheintöchter: Traulich und treu ist's nur in der Tiefe:
falsch und feig ist, was dort oben sich freut! |
György Kurtág |
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Samuel Beckett: What is
the word , op. 30 b, 1991
Für Altstimme, fünf Vokalsolisten und
Kammerensemble, 17'
Ihr Worte
Es hellt nicht nach.
Das Wort
Wird doch nur
Andre Worte nach sich ziehn,
Satz den Satz. (Ingeborg Bachmann) |
Samuel Beckett |
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Atem
Theaterszene, 1969/70, 5'
Dunkel. Dann
1. Schwache Beleuchtung der Bühne, auf der verschiedenartiger,
nicht erkennbarer Unrat herumliegt.
Etwa fünf Sekunden lang.
2. Schwacher, kurzer Schrei und sofort
danach gleichzeitig Einatmen und allmählich aufhellende Beleuchtung bis zu dem nach etwa 10
Sekunden gleichzeitig zu erreichenden Maximum. Stille, etwa 5 Sekunden
lang.
3. ausatmen und gleichzeitig allmählich dunkelnde Beleuchtung
bis zu dem nach etwa 10 Sekunden gleichzeitig zu erreichenden Minimum
(Beleuchtung wie bei 1.) und sofort danach Schrei wie vorher.
Stille, etwa 5 Sekunden lang.
Dann Dunkel
Unrat: nichts steht, alles liegt verstreut herum.
Schrei:
Moment eines auf Tonband aufgenommenen Vagitus. Wichtig ist, dass
beide Schreie identisch sind und dass Beleuchtung und Atemgeräusch
genau übereinstimmend zu- und abnehmen.
Atem: verstärkte
Tonbandaufnahme.
Maximum der Beleuchtung: nicht zu hell. Wenn 0 = dunkel und 10
= hell, so sollte die Beleuchtung von 3 bis 6 zunehmen und entsprechend
abnehmen . (Samuel Beckett) |
Sirenen, Wasserfrauen,
Nornen und Rheintöchter sind Leitfäden der Klang-Reise durch die
Jahrhunderte. Den Ausgangspunkt bilden Wagnersche Musikdramenteile in originaler
und bearbeiteter Werkgestalt. Diese werden mit heutigen Klängen
befragt und mit neuen Texten konfrontiert: Morton Feldman, Samuel Beckett,
György Kurtág, Wolfgang Rihm, Hildegard von Bingen. An mehreren
symbolträchtigen Orten entsteht eine raumtheatralische Klangreise.
In den unterschiedlichsten räumlichen und szenischen Grundsituationen
verändert sich das Ausgangs-Material (Richard Wagners Musik und
szenische Vorstellung) in dem Maße, wie sich der Hör- und Blickwinkel
auf Wagners "Werk" verändert. Die Szene und Raumlösung erweitern
anschaulich die Perspektive des Gesamtkunstwerks . |
Richard Wagners "Wer", seine
Wirkung und Aktualität werden so in verschiedenen Auf-führungskontexten
gleichsam aus unterschiedlichen Blick- und Hörwinkeln für
die Gegenwart erschlossen. Damit sei nicht gesagt, dass eine Interpretation
von Richard Wagners "Werken" besser oder authentischer sei, je
weiter sie sich vom ursprünglichen Aufzeichnungsmedium und konzipierten
Werkcharakter entfernt, vielmehr dass sich mit verschiedenen Veränderungen
und Entwicklungen die Perspektive auf ein "Werk", seine
Interpretation und Inszenierung sowie dessen Rezeption
verändern. Indem man sich dieser Herausforderung stellt,
entzieht man sich nicht den Fragen nach der Hervorbringung,
Deutung und Wertung von Kunst, sondern leistet vielmehr einen Beitrag zur
Suche nach zeitgemäßen Aufführungsformen von dem
Kanon uns allzu bekannter "Werke". |
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Meine Sache ist: Revolution
zu machen, wohin ich komme. (...) Sind wir ganz aufrichtig, so müssen
wir eigentlich auch zugestehen, dass es jetzt das einzige ist, was Sinn
und wirklichen Zweck hat: das Kunstwerk kann jetzt nicht geschaffen, sondern
nur vorbereitet werden, und zwar durch revolutionieren, durch zerstören
und zerschlagen alles dessen, was zerstörens- und zerschlagenswert
ist. Das ist unser Werk, und ganz andere Leute als wir werden erst die wahren
schaffenden Künstler sein. Nur in diesem Sinne fasse ich auch meine
bevorstehende Tätigkeit in Paris auf: Selbst ein Werk, das ich für
dort schreibe und aufführe, wird nur ein Moment der Revolution, ein
Affirmationszeichen der Zerstörung sein können. Nur die Zerstörung
ist jetzt notwendig, - aufbauen kann gegenwärtig nur willkürlich
sein. 20 |
Literaturhinweise
Ihre Meinung? - Zum Forum...
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1 Franz Kafka, Das Schweigen der Sirenen. In: "Hochzeitsvorbereitungen
auf dem Lande" und andere Prosa aus dem Nachlass . Herausgegeben von
Max Brod. New York, Frankfurt/Main 1953, S. 78-80, S. 79. zurück
2 Richard Wagner, Die Kunst und die Revolution. In: Gesammelte
Dichtungen und Schriften. Leipzig 1907, 12 Bände, Bd. 3, S. 19. zurück
3 Richard Wagner, Oper und Drama. In: Gesammelte Dichtungen
und Schriften. Leipzig 1907, 12 Bände, Bd. 3, S. 226. zurück
4
Richard
Wagner, Die Kunst und die Revolution. In: Gesammelte
Dichtungen und Schriften. Leipzig 1907, 12 Bände, Bd. 3, S. 37. zurück
5
Udo Bermbach, Der Wahn des Gesamtkunstwerks Richard Wagners politisch-ästhetische
Utopie. Frankfurt/Main 1994, S. 185. zurück
6
Richard Wagner, Die Kunst und die Revolution. In: Gesammelte
Dichtungen und Schriften. Leipzig 1907, 12 Bände, Bd. 3, S. 48f.. zurück
7 Richard Wagner, Brief an Theodor Uhlig, 12. November 1851. In: Briefe.
Ausgewählt, eingeleitet und kommentiert von Hanjo Kesting. München,
Zürich 1983. Bd. 4, S. 176. zurück
8
Vgl. hierzu Claude Lévi-Strauss, Die Struktur der Mythen.
In: Strukturale Anthropologie. Frankfurt/ Main 1977, Bd. 1, S. 226 - 254;
Hans Blumenberg, Arbeit am Mythos. Frankfurt/Main 1979; Manfred Fuhrmann
(Hg.), Terror und Spiel. Probleme der Mythenrezeption. München
1971. zurück
9
Hans Blumenberg, Arbeit am Mythos. Frankfurt/Main 1979, S. 32. zurück
10
Richard
Wagner, Oper und Drama. In: Gesammelte Dichtungen und
Schriften. Leipzig 1907, 12 Bände, Bd. 4, S. 64. zurück
11 Richard Wagner, Eine Mitteilung an meine Freunde. In: Gesammelte
Dichtungen und Schriften. Leipzig 1907, 12 Bände, Bd. 4, S. 237. zurück
12
Richard Wagner, Eine Mitteilung an meine Freunde. In: Gesammelte
Dichtungen und Schriften. Leipzig 1907, 12 Bände, Bd. 4,
S. 234. zurück
13
Michael Karbaum, Studien zur Geschichte der Bayreuther Festspiele.
Regensburg 1976, S. 15. zurück
14 Richard Wagner, Brief an Theodor Uhlig, 20. September 1850. In: Sämtliche
Briefe. Herausgegeben im Auftrage des Richard-Wagner-Familienarchivs
Bayreuth von Gertrud Strobel und Werner Wolf. Leipzig 1967-1993, 8 Bände,
Bd. 3, S. 426. zurück
15
Richard Wagner, Vorwort zur Herausgabe der Dichtung des
Bühnenfestspiels "Der
Ring der Nibelungen". In: Gesammelte Dichtungen
und Schriften . Leipzig 1907, 12 Bände, Bd. 6, S. 272-281, S. 279. zurück
16 Das
damit einher gehende Konzept der buchstäblichen Überbrückung
von Zuschauerraum und Bühne zur direkteren und unmittelbareren Kommunikation
zwischen dem Dargestellten und seinem Publikum wäre durch verschiedene
andere (Bühnenbild-) Entwürfe oder die Verlagerung des Musiktheaters
in Räume einzulösen, die dem klassischen Guckkasten-Prinzip nicht
gehorchen. zurück
17
Richard Wagner, Vorwort zur Herausgabe der Dichtung des Bühnenfestspiels "Der
Ring der Nibelungen" . In: Gesammelte Dichtungen und Schriften .
Leipzig 1907, 12 Bände, Bd. 6, S. 275f.. zurück
18 Richard Wagner, Das Kunstwerk der Zukunft. In: Gesammelte
Dichtungen und Schriften. Leipzig 1907, 12 Bände, Bd. 3, S. 60. zurück
19
Von Eberhard Kloke © (www.imaginaerer-raum.de) zurück
20 Richard Wagner, Brief an Theodor Uhlig, 27. Dezember 1849.
In: Sämtliche
Briefe. Herausgegeben im Auftrage des Richard-Wagner-Familienarchivs
Bayreuth von Gertrud Strobel und Werner Wolf. Leipzig 1967-1993, 8 Bände,
Bd. 3, S. 196f.. zurück
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