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Modest Mussorgsky Boris Godunow Neufassung von Eberhard Kloke
Verlag Sikorski/ Boosey& Hawkes-Berlin

Warum sollte diese Fassung gespielt werden? Ein Plädoyer...

Probemstellung der Quellen und Fassungen von Boris Es täuschen die Begriffe „Ur-Boris“ und „Original-Boris“ augenscheinlich darüber hinweg, dass eben nur vordergründig ein finaler und „authentischer“ Werkzusammenhang vorliegt. Bestenfalls ließe sich von den jeweiligen Fassungen von 1869, 1872 und 1874 sprechen.
Offensichtlich scheint das Pendel in der wechselvollen Rezeptionsgeschichte von Boris Godunow zwischen Urfassung, Originalfassung, Rimsky-Fassung und Schostakowitsch-Fassung hin- und her zu schlagen. Obwohl Boris in letzter Zeit häufiger in der Urfassung aufgeführt wurde – mit der originalen Mussorgsky’schen Instrumentation –, erschien diese Variante zunehmend unbefriedigend.
Gerade weil die Figur Boris sich im Verlauf des Werkes mehr und mehr auflöst denn entwickelt, ist die kaleidoskopische, immer in Bewegung gesetzte personaggio um Boris die treibende dramatische Kraft im Werk.
Wie kürzlich anlässlich der Eröffnungspremiere der Mailänder Scala zu erleben war, ist die sog. Urfassung von Boris Godunow gänzlich ungeeignet, ein auf Repräsentation bedachtes Publikum (vor Augen des Staatspräsidenten und der EU-Kommissions-Präsidentin) mitzureißen. Wie schrieb der Kritiker von BR-Klassik (Walter Weidringer):
„Gepflegte Langeweile im Publikum!
Wenn Geplapper im Publikum, klingelnde Handys und knallende Logentüren auf etwas schließen lassen, dann vermutlich auf eine gewisse gepflegte Langeweile bei Mussorgsky. Und die Gemüter der Loggionisti, also der leidenschaftlichen Opernfans auf der Galerie, kochen bei der Saisoneröffnung normalerweise eher bei italienischem Repertoire über – in diese oder jene Richtung.“

Die Bearbeitungsdevise kann also nur heißen, das ganze komponierte Material Mussorgskys zu berücksichtigen und in einen sinnvollen dramaturgischen und musikalischen Ablauf zu setzen.
Alle Recherchen und Vorüberlegungen führten dazu, sich hinsichtlich einer Neuedition von Boris auf eine Mischfassung im Sinne dramaturgisch neu gesetzter Abfolge und instrumentatorisch geschärftem Klangbild einzulassen. So kann der work-in-progress-Charakter – also die Entstehung und Weiterentwicklung des Werkes in mehreren Etappen – am besten entsprochen und nachgezeichnet werden.

Plädoyer für eine Mischfassung
Wichtig für den dramaturgischen Zusammenhang einer erweiterten Fassung sind vor allem die gegensätzlichen, aber dramatisch-inhaltlich ineinandergreifenden Szenen Klosterzelle des Tschudow-Klosters (der alte Mönch Pimen und Grigorij) sowie Schloss des Wojwoden Mnischek (Marina und später Grigorij als der „falsche“ Dimitrij). Gerade mit dem Gegenspieler von Boris in der Gestalt des Grigorij-Dimitrij ergibt sich eine ausgewogene dramatische Gewichtung, die mit dem Tod des jungen (echten) Thronfolgers Dimitrij eigentlich gar nichts zu tun hat.

Es galt also, sowohl Stringenz bezogen auf die Dramaturgie des Werkes als auch bezogen auf die Instrumentation resp. deren Anpassung/Veränderung herzustellen und dies im Spannungsfeld der Werkentstehung zwischen Urfassung (1869) und späteren Fassungen (1872 und 1874). Die vorgenommenen Retuschen und meist geringfügigen Veränderungen in der Instrumentation verändern jedoch nicht grundsätzlich das Mussorgsky’sche Klangbild. Gerade die offensichtlich bewusst gesetzten instrumentatorischen Kargheiten und Aussparungen – insbesondere in den Passagen der Urfassung – bleiben bis auf wenige Retuschen selbstverständlich erhalten.

Deshalb ein klares Plädoyer für diese Fassung!

Eine genauere und ausführlichere Beschreibung nebst Besetzungsangaben finden Sie unter:
Arbeitsbericht Boris Godunow