musikakzente21

Schostakowitsch
Missverhältnis und Missverständnis!


Eberhard Kloke, Berlin im März 2006

Betrachtet man die Programme der diesjährigen Schostakowitsch-Jubiläen, fällt erneut auf, dass man sich darauf beschränkt, die gängigen Programmschemata für Musik und Werke Schostakowitschs anzuwenden. Eine mögliche Neuentdeckung kann jedoch ohne Neubewertung der historischen, politischen Kontexte nicht geschehen. Es nützt weder dem Werk noch dem Ansehen seines Autors, wenn der Musikbetrieb sich einen Komponisten der sogenannten "gemäßigten" Moderne unter falschen Voraussetzungen vereinnahmt.

Eine Neuentdeckung von Schostakowitsch hat eben weder mit jubiläumstechnischen oder programm-aktualisierenden Maßnahmen am Werk noch mit der üblicherweise verspäteten Vereinnahmung durch den Musikbetrieb ("posthum") zu tun als mit der Erkenntnis, Werk und politische Implikationen in noch engerem Bezug sehen und hören zu müssen.

Untersucht werden müsste die zentrale Frage nach Veränderungsprozessen in der Innen- und Außenwelt eines Menschen (Komponisten), die Frage nach individuellen, persönlichen und künstlerischen Antworten auf (mehrfach!) politisch herbeigeführten, radikalen Strukturwandel.

Heutige Sinne dafür zu schärfen, die sogenannte zweite Ebene der Musiksprache Schostakowitschs zu hören und zu begreifen und auf andere, heutige Musik und deren politische Implikationen zu übertragen, wäre das eigentliche Ziel eines neuerlichen Schostakowitsch-Rezeptions-Schubs.

siehe Archiv