Bearbeiten: A. Berg Wozzeck    
 
   
   
 
Alban Berg Wozzeck      
 
     
 

Alban Berg Wozzeck

Revisionsbericht zur Bearbeitung von Eberhard Kloke

Alban Berg "Wozzeck" ©1926 by Universal Edition A.G., Wien
Bearbeitung für Soli und Kammerorchester von Eberhard Kloke © 2003 by Universal Edition A.G., Wien
siehe auch Universal Edition

Die Oper Alban Bergs

Alban Berg, populärster Vertreter der Schule um Arnold Schönberg schuf mit seiner Vertonung des Büchner'schen Dramenfragments über den "Abgrund Mensch" das Opern-Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts. Als Inbegriff der musikalischen Moderne wurde das erste abendfüllende Musik-theaterwerk aus der Stilepoche der sogenannten "freien Atonalität" international repertoirefähig.
So vieles an musikalischer Tradition, was auf Bergs tonsprachliche Ausarbeitung Einfluss genommen hat, ist uns heute durch die zeitliche Distanz evident geworden - vor allem Schönbergs Frühwerk, seine "Erwartung" und das gebundene Melodram des "Pierrot lunaire".
Zentral scheint auch die Verbindung von so genanntem hohen und niedrigen Stil sowie der kompositorische Bereich zwischen erweiterter und freier Tonalität und deren Verschmelzung zu sein, einer Musiksprache des Wozzeck`, die die Anlehnung an Mahler zu keiner Zeit verleugnet.

Im Mittelpunkt des Büchnerschen Dramas steht immer der Mensch, im Woyzeck die spezifische "Versuchsanordnung Mensch" – und dies nicht nur im Sinne eines durch soziale Abhängigkeiten festgelegten Verhältnisses zwischen dem menschlichen Experimentieropfer und seinen Peinigern Hauptmann und Doktor. Vielmehr wird die Bilderfolge als eine Darstellung archetypischer Menschenexemplare verstanden, in denen Wozzeck - ausgestattet mit Symptomen von Krankheit und Kommunikationsstörung - als der einzig „Gesunde" erscheint. Das "hohle Gewäsch" rhetorisch trainierter Mächtiger steht hier gegen den hilflosen, aber in der Vertonung emotional hoch-differenzierten Ausdruck menschlichen Denkens und Empfindens.

Widerspruch Woyzeck-Wozzeck?

1 Form

Der Komponist selbst empfand nach Verzicht auf durchgehende, harmonische Tonalitätsbeziehungen die Notwendigkeit, neue formale Innenbindung gegen den vermeintlichen Sinnverlust zu setzen: "Ein unverkennbares Gesicht, wie auch Abrundungen und Geschlossenheit" wollte er dem Text verleihen. Durch die Art der Texteinrichtung und –bearbeitung hatte Berg die Voraussetzung geschaffen, mit musikalisch-formalen Konstruktionen dramatische Geschlossenheit zu erreichen.

Jede Szene, jeder Akt wurde als strukturelle Einheit gestaltet. In seinem berühmten Wozzeck-Vortrag erläutert Berg, dass "die Geschlossenheit der musikalischen Formen durch Heranziehung musikalischer Einheitsprinzipe" erfolgte, "sei es die Einheit eines Themas, das variiert wird, sei es ein Ton, ein Akkord, ein Rhythmus, eine gleichförmige Bewegung..."
Um so paradoxer erscheint es, dass der Text, auf dem das Werk – als Inbegriff dramatischer Geschlossenheit - basiert, ein radikal-dramatisches Stück der offenen Form ist (mit Bildern und Szenen ohne chronologische Abfolge), was gleichfalls eine erhebliche Veränderung in Figuren- und Konfliktzeichnung zur Folge hatte.
Obwohl die Hauptleistung von Bergs Texteinrichtung in der logischen Gliederung und Straffung der von Büchner nur als Fragment hinterlassenen Skizzen besteht, deren Abfolge an das tradierte Dramenschema von Exposition, Peripetie und Katastrophe verweist, bleibt ein grundsätzliches Missverhältnis von offener Anlage und geschlossener Form bestehen:Die offene Anlage und Form bei Büchner steht in entscheidendem Widerspruch zur hermetisch geschlossenen OPERN-FORM bei Berg.

Widerspruch Woyzeck-Wozzeck?

2 Inhalt

Ist der erste Widerspruch noch ein formaler, ist der zweite ein sehr ins Gewicht fallender inhaltlicher Widerspruch.
George Steiner, Schriftsteller und Kritiker, bemerkte treffend: „Alban Bergs Opernfassung ´Wozzeck´ ist sowohl als Musik wie als Drama hervorragend. Doch sie verzerrt Büchners ursprüngliche Absicht. Die Musik macht Woyzeck beredt; die kluge Instrumentierung verleiht seiner Seele Sprache. Im Stück ist diese Seele nahezu stumm.“
Der Sprachlosigkeit (=Kommunikationsunfähigkeit) Woyzecks bei Büchner steht ein filigranes Psychogramm des "Wozzeck" bei Berg widersprüchlich gegenüber. Berg verleiht durch seine Musik und eine beredte Instrumentation Wozzeck die Sprachwerkzeuge, die er bei Büchner gar nicht besitzt.
Die Bearbeitung will sich nicht zuletzt auch diesem Widerspruch stellen.
Auf der Suche nach den Bedingungen für eine Wieder-Annäherung an Büchners Woyzeck, ist eine Bearbeitung der Oper für Soli und reduziertes Orchester der erste Schritt. Realisierungen in neuen Raum-Situationen aber auch Theatern werden offene Interpretationsmöglichkeiten verifizieren.