Schostakowitsch 2006      
 
 


Retrospektive-Perspective
SCHOSTAKOWITSCH

Konzentrat eines Lebenswerks

©Projekt von Eberhard Kloke Berlin, Stand: März 2006


 
 
 

Ausgangspunkt + Fragestellung
Schostakowitschs Musik hat seit einiger Zeit in den Musik-Programmen des öffentlichen Musiklebens in (West-) Europa einen immer größer werdenden Raum eingenommen. Dabei hat die quasi Neuentdeckung von Schostakowitsch weniger mit aktuellen, musikwissenschaftlichen Erkenntnissen am Werk oder mit der üblicherweise verspäteten Vereinnahmung durch den Musikbetrieb ("posthum ") zu tun als mit der Erkenntnis, Werk und politische Implikationen in noch engerem Bezug sehen und hören zu müssen.

Die Neuentdeckung hängt also direkt mit einer Neubewertung der Musik in ihrem historischen und politischen Kontext zusammen. Faszinierend ist dabei, dass   das kompositorische Lebenswerk einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren, vom Anfang der zwanziger Jahre bis 1975. Dies entspricht dem politischen Zeitraum, der von Lenins Tod (1924) über Stalin, Chruschtschow bis hin zu Breschnew (Unterzeichnung der Schlussakte der KSZE in Helsinki, 1975) reichte.

Untersucht wird die zentrale Frage nach Veränderungsprozessen in der Innen- und Außenwelt eines Menschen, die Frage nach individuellen, persönlichen und künstlerischen Antworten auf (mehrfach!) politisch herbeigeführten, radikalen Strukturwandel.

Das Projekt Schostakowitsch
Retrospektive - Perspective sucht also hinsichtlich der künstlerischen und gesellschaftlichen Gesamtkonstellation nach Konsequenzen und klärenden Antworten im und zum Werk Dimitri Schostakowitschs.

Das Projekt
Das Projekt beabsichtigt, mit neun exemplarischen Werken aus unterschiedlichen zeitlichen Perioden programmatisch die Verflechtung und Spannung zwischen offizieller Musikpolitik (mit allen damit verbundenen Repressalien) und Schostakowitschs persönlich-authentischer Musik-Sprache auszuloten:

Dabei werden auch bestimmte "westliche" Komponisten im Kontext   ihrer real-politischen und   biographischen Situation vorgestellt und deren Kompositionen mit Schostakowitschs Musik in einen lebendigen Bezug gebracht.
Schostakowitschs Verfahren, mit einer zweiten Ebene zu sprechen, z. B. Volkstümlichkeit und Verständlichkeit als Fassade zu brandmarken, die Anpassung an die herrschende oder verordnete Ästhetik als Schein zu entlarven, ist zugleich das Moderne + Authentische seiner Musiksprache.

  • Repetitive Anwendung von Folklore-Elementen,
  • orgiastische Primitivismen,
  • marionettenhaft anmutende, mechanische Bewegungsschablonen
werden zu Bildern des Zwanges und somit der "Zwangsverhältnisse", unter denen das Leben stand, verweisen aber auch auf Verblendungszwänge einer heutigen, sich ?modern" nennenden, Gesellschaft . Die übertriebene Verwendung musikalischer Klischees lässt kontrastscharf dagegen gestellte Anklage/Klage-Musiken noch härter und bedrohlicher erscheinen.

Schostakowitsch setzt auf die unmittelbare Assoziationsmöglichkeit und -fähigkeit seiner Hörer, die trotz oder gerade wegen der Doktrin des "Sozialistischen Realismus" virulent vorhanden waren.

Diese Musik programmatisch zu schärfen, was bedeuten würde, sie gleichermaßen in einen historischen wie auch gegenwärtigen Kontext zu stellen und in "pointierten" Orten und Räumen zu platzieren, ist die Herausforderung und Chance einer neuen Schostakowitsch-Rezeption.
Nicht zuletzt geht es um Würdigung der Unbeugsamkeit einer der wegweisenden Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.