|
PARSIFAL Entfernung-Projektbeschreibung:
Um Musiktheater aus den Konventionen der tradierten "OPER" zu
erlösen, schuf Wagner sein eigenes Musikdrama.
Das Musikdrama Richard
Wagners wiederum heute in Aufführungsrahmenbedingungen
von Institutionen - in Theaterräume und gängige Interpretationsriten
- zu zwängen, hieße, darauf zu verzichten, Wagners Vision
resp. Obsession nicht für weiterführende musik-konzeptionelle
Ebenen zu öffnen.
PARSIFAL Entfernung entwickelt Handlungsstränge
um die Kunst-Figur "KUNDRY".
Die einzelnen Metamorphosen der
Kundry,
- das gleichzeitig Ungleichzeitige ihrer Existenz,
- ihre Funktion als Seherin, Aufklärerin, Priesterin,
- die Verbindung von Sakralem und Sexuellem
- die Authentizität ihrer Person,
- die zeitlose Archaik ihrer Erscheinung,
- ihre Bedrohlichkeit für Christentum und Kirche
- ihre Provokation gegenüber männlichem
Heldenbild
haben Konsequenzen für die Musik- und Bildsprache einer
Neu-Interpretation.
Musik
Die Musik (Partitur) auf die musikalische Grundgestalt eines
Streichquartetts konzentriert. Melodische, harmonische und rhythmische
Details bleiben erhalten.
Die einzelnen Sequenzen werden chronologisch
passfähig gemacht,
um die Einheit der musikalischen Vorgänge zu garantieren und einem
vordergründigen Eindruck von patchwork entgegenzuwirken, außerdem,
um der musikalisch-bildhaften Ausdeutung in den RÉPLIQUES eine
Richtung vorzugeben.
RÉPLIQUES
Die jeweiligen Repliken
entwickeln das musikalische Grundmaterial und fokussieren die motivisch-thematischen,
harmonischen und rhythmischen Zentren der einzelnen Szenen in repetitive "patterns".
Diese
patterns bilden das Grundmaterial zur Ausformung der "Risse",
die auf die Kundry-Einzelpassagen folgen und zusammen mit einer Video-Bild-Idee
weiter ausformuliert werden.
Bild-Sprache
Die Bild-Sprache nähert sich über verschiedene Zeit- und
Deutungsebenen dem, was der Text unausgesprochen lässt und die
Musik mehrdeutig ausformuliert.
Die Video-Bild-Welten verstehen sich als
retrospektive oder antizipierende Einblendungen/Überblendungen,
die die jeweilige Szene resp. die beabsichtigte Grundsituation zeitlich,
psychologisch oder metaphorisch begleiten werden.
Die Musik kommentiert
weder die Bilder noch bilden die Bilder konkrete Handlungsbezüglichkeiten.
Zusammenfassung:
Ausgehend von der Beschreibung, Sichtung und Wertung des musikalischen
Materials in Richard Wagners Parsifal ("Kundry-Splitter") werden
Inhaltsbausteine und Analogien zu Sprache und Bild entwickelt. Angestrebt
ist ein analogisierendes cross-mapping zwischen Musik, Wort
(Sprache-Text) und Bild(ern), um die komplexe Kunstfigur Kundry durch
Montage dieser Materialien an dem Punkt zu sichten und zu fassen, wo
eine sinnlich spannende Live?-Interaktion beginnen könnte.
Da sich
das Projekt als work in progress versteht, wird
das Material zunächst für eine internet-Version entwickelt
und umgesetzt, danach für diverse Live-Performance-Rahmen adaptiert
und erweitert.
Aktuellere Literaturangaben
"Duchamps
Urinoir als Schlüssel.....was bedeutet das aber im Endeffekt für
die Kultur?
Um
das zu beantworten, muss man sich fragen, wie unsere Kultur grundsätzlich
strukturiert wird. Das kann man an Schlingensief gut demonstrieren.
Grundsätzlich wird sie dadurch strukturiert, dass die Musik von
Wagner für Schlingensief ein Ready-made ist. Die Musik von Wagner
ist ein Effekt oder ein künstlerisches Verfahren oder ein Phänomen,
das er neben vielen anderen für sein eigenes Kunstwerk benutzt.
Er tritt insofern als einziger Autor auf und instrumentalisiert oder
integriert Wagner beziehungsweise seine Musik als Ready-made...Es wird
nicht die Musik Wagners zugänglich gemacht, sondern sie wird im
Status des Urinoirs von Duchamp als ein Ready-made in einer Installation
verwendet. Sie wird dort eingeordnet, wo sie passt....
Wir haben aber in unserer Kultur einen anderen Begriff der Autorschaft,
der besagt, dass allein die Benutzung von Werken oder Gegenständen
schon von selbst etwas aussagt, ohne dass sie manipuliert werden müssten.
Denn die bloße Benutzung bereits vorhandener Elemente, also Dinge
einfach als Ready-mades zu zeigen, ist genauso ein kreativer Akt, wie
jede andere Art des Zeigens auch. Insofern ändert sich grundsätzlich
nichts, wenn ich di Ready-mades als Teil eines eigenen Projektes zeige
oder auf der Nullebene, in der nur die Musik gezeigt beziehungsweise
gespielt wird, ohne jede eigene Zutat. Denn auch die Musik als solche
zu zeigen, ist schon ein auktorialer Akt."
Boris Groys im Gespräch mit Carl Hegemann in: Kunst&Gemüse
Theater ALS Krankheit
Carl Hegemann (Hg.) ©Alexander Verlag Berlin und Volksbühne
am Rosa-Luxemburg-Platz
(EK, Stand: 24.08.05)
|
|