Das Projekt      
 
   
     
 

PARSIFAL Entfernung. SAKRILEG Kundry

Montage aus Wagners PARSIFAL (Kundry-Teile) und RÉPLIQUES von Eduard Clark (1882/2005)

 

 
 

PARSIFAL Entfernung-Projektbeschreibung:
Um Musiktheater aus den Konventionen der tradierten "OPER" zu erlösen, schuf Wagner sein eigenes Musikdrama.
Das Musikdrama Richard Wagners wiederum heute in Aufführungsrahmenbedingungen von Institutionen - in Theaterräume und gängige Interpretationsriten - zu zwängen, hieße, darauf zu verzichten, Wagners Vision resp. Obsession nicht für weiterführende musik-konzeptionelle Ebenen zu öffnen.

PARSIFAL Entfernung entwickelt Handlungsstränge um die Kunst-Figur "KUNDRY".
Die einzelnen Metamorphosen der Kundry,

  • das gleichzeitig Ungleichzeitige ihrer Existenz,
  • ihre Funktion als Seherin, Aufklärerin, Priesterin,
  • die Verbindung von Sakralem und Sexuellem
  • die Authentizität ihrer Person,
  • die zeitlose Archaik ihrer Erscheinung,
  • ihre Bedrohlichkeit für Christentum und Kirche
  • ihre Provokation gegenüber männlichem Heldenbild

haben Konsequenzen für die Musik- und Bildsprache einer Neu-Interpretation.

Musik
Die Musik (Partitur) auf die musikalische Grundgestalt eines Streichquartetts konzentriert. Melodische, harmonische und rhythmische Details bleiben erhalten.
Die einzelnen Sequenzen werden chronologisch passfähig gemacht, um die Einheit der musikalischen Vorgänge zu garantieren und einem vordergründigen Eindruck von patchwork entgegenzuwirken, außerdem, um der musikalisch-bildhaften Ausdeutung in den RÉPLIQUES eine Richtung vorzugeben.

RÉPLIQUES
Die jeweiligen Repliken entwickeln das musikalische Grundmaterial und fokussieren die motivisch-thematischen, harmonischen und rhythmischen Zentren der einzelnen Szenen in repetitive "patterns".
Diese patterns bilden das Grundmaterial zur Ausformung der "Risse", die auf die Kundry-Einzelpassagen folgen und zusammen mit einer Video-Bild-Idee weiter ausformuliert werden.

Bild-Sprache
Die Bild-Sprache nähert sich über verschiedene Zeit- und Deutungsebenen dem, was der Text unausgesprochen lässt und die Musik mehrdeutig ausformuliert.
Die Video-Bild-Welten verstehen sich als retrospektive oder antizipierende Einblendungen/Überblendungen, die die jeweilige Szene resp. die beabsichtigte Grundsituation zeitlich, psychologisch oder metaphorisch begleiten werden.
Die Musik kommentiert weder die Bilder noch bilden die Bilder konkrete Handlungsbezüglichkeiten.

Zusammenfassung:
Ausgehend von der Beschreibung, Sichtung und Wertung des musikalischen Materials in Richard Wagners Parsifal ("Kundry-Splitter") werden Inhaltsbausteine und Analogien zu Sprache und Bild entwickelt. Angestrebt ist ein analogisierendes cross-mapping zwischen Musik, Wort (Sprache-Text) und Bild(ern), um die komplexe Kunstfigur Kundry durch Montage dieser Materialien an dem Punkt zu sichten und zu fassen, wo eine sinnlich spannende Live?-Interaktion beginnen könnte.
Da sich das Projekt als work in progress versteht, wird das Material zunächst für eine internet-Version entwickelt und umgesetzt, danach für diverse Live-Performance-Rahmen adaptiert und erweitert.

Aktuellere Literaturangaben

"Duchamps Urinoir als Schlüssel.....was bedeutet das aber im Endeffekt für die Kultur?

Um das zu beantworten, muss man sich fragen, wie unsere Kultur grundsätzlich strukturiert wird. Das kann man an Schlingensief gut demonstrieren. Grundsätzlich wird sie dadurch strukturiert, dass die Musik von Wagner für Schlingensief ein Ready-made ist. Die Musik von Wagner ist ein Effekt oder ein künstlerisches Verfahren oder ein Phänomen, das er neben vielen anderen für sein eigenes Kunstwerk benutzt. Er tritt insofern als einziger Autor auf und instrumentalisiert oder integriert Wagner beziehungsweise seine Musik als Ready-made...Es wird nicht die Musik Wagners zugänglich gemacht, sondern sie wird im Status des Urinoirs von Duchamp als ein Ready-made in einer Installation verwendet. Sie wird dort eingeordnet, wo sie passt....

Wir haben aber in unserer Kultur einen anderen Begriff der Autorschaft, der besagt, dass allein die Benutzung von Werken oder Gegenständen schon von selbst etwas aussagt, ohne dass sie manipuliert werden müssten. Denn die bloße Benutzung bereits vorhandener Elemente, also Dinge einfach als Ready-mades zu zeigen, ist genauso ein kreativer Akt, wie jede andere Art des Zeigens auch. Insofern ändert sich grundsätzlich nichts, wenn ich di Ready-mades als Teil eines eigenen Projektes zeige oder auf der Nullebene, in der nur die Musik gezeigt beziehungsweise gespielt wird, ohne jede eigene Zutat. Denn auch die Musik als solche zu zeigen, ist schon ein auktorialer Akt."

Boris Groys im Gespräch mit Carl Hegemann in: Kunst&Gemüse Theater ALS Krankheit
Carl Hegemann (Hg.) ©Alexander Verlag Berlin und Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz

(EK, Stand: 24.08.05)